Zum zweiten Mal hatte den Maler die frisch verwitwete Gräfin Marie Gabriele Lažanský von Bukowa, geborene Czernin von und zu Chudenitz, nach Manětín eingeladen. Es war das Jahr 1715. Die Gräfin hatte ihm die Reise mit der Kutsche nach Manětín bezahlt, wie in ihrer Buchhaltung im Particurar Cassa Raittung 1715-1717 vermerkt ist – „Dem Brandl vor sein Lehnwagen herauszahlt 8 fl.“ – Der Summe nach zu urteilen kam Brandl aus Prag angereist.
Kam er allein oder brachte er Gehilfen mit? Sicher ist, dass er Gehilfen bei der Arbeit hatte. Nach Meinung von Fachleuten wurde das Bild des Heiligen Antonius von Padua zum großen Teil von einem Gehilfen angefertigt, der Meister korrigierte und ergänzte es dann, soweit es ging. So erinnert etwa die schwerfällige Wolke, auf der das Jesuskind ruht, an den Lehrling.
Wo wohnte der Meister und wo arbeitete er an seinem Werk? Im Schloss, so nehmen wir an, aber beweisen kann man es nicht.
Wie sah er wohl auf seine Bilder, die er vor 16 Jahren hier gemalt hatte? In der Frische ihrer Schönheit hingen in den Arkaden der Kirche der Heiligen Barbara beide Chiascuro-Lünetten. Auch des Meisters Gedicht über das doppelte Sterben (des Tages und des Menschen) auf dem Bild „Tod des Heiligen Isidor“ und sein nicht weniger bekanntes Pendant „Ermordung des Heiligen Wenzel“. In beiden Kapellen kommen seine Altarbilder zur Geltung: „Der Heilige Isidor, spanischer Bauer“ und „Der Heilige Wenzel mit Podiven“. Brandls neueres Bild „Madonna mit dem Jesuskind“ zierte im Kirchenschiff den Marienaltar. Sicher war der Meister über sein schönes Werk erfreut, obwohl er die Bilder jetzt, wo er den Höhepunkt seines Schaffens erreichte, wohl anders malen würde.
Gleich nach Brandls Ankunft wurde auf dem Schloss der Vertrag mit dem Meister aufgesetzt. Er wurde auf Deutsch verfasst, das Original ist bis heute erhalten. Er wurde bereits mehrmals ins Tschechische übersetzt, Brandls eigenhändige Unterschrift und sein Siegel wurden von Fachleuten mehrfach begutachtet.
Datum des Vertrags ist der 20. September 1715, es war ein herbstlicher Kvartember[1]-Freitag, Unterschrift und Siegel stammen von Marie Gabriele für sich und ihre minderjährigen Kinder sowie von Hieronymus Tichý einerseits und Petr Brandl andererseits.
Einleitend wird an den Wunsch des verstorbenen Grafen Wenzel erinnert, aus eigenen Mitteln ein Bild des Heiligen Johannes des Täufers für den Hauptaltar der Dekankirche anzuschaffen und bemerkt, dass er diesen Wunsch noch kurz vor seinem Tod in Anwesenheit einiger Zeugen wiederholt habe.
Das zweite Bild für den Seitenaltar bestellte Marie Gabriele. Es sollte die Heilige Anna darstellen, Patronin der jüngsten Tochter der Gräfin, die in jenem Jahr kurz vor dem Tod des Vaters, des Grafen Wenzel, geboren wurde. Das dritte Bild würden einige Manětíner Bürger gemeinsam mit dem Hofmeister Tichý zur Ehre des Heiligen Antonius von Padua stiften.
Brandl verpflichtete sich in dem Vertrag, dass der über den Winter diese drei Bilder hier in Manětín auf eigenem Leinen und mit eigenen Farben anfertigen würde. Marie Gabriele bestimmte die Bezahlung: Für das Hauptbild sollte der Meister 800 Gulden bekommen, für die Seitenbilder jeweils 400 Gulden, insgesamt 800 Gulden. 200 Gulden sollte der Meister gleich bei seiner Ankunft erhalten, nach Fertigstellung des Hauptbildes 400 Gulden, nach Fertigstellung des Bildes der Heiligen Anna 200 Gulden und nach Fertigstellung des Antonius-Bildes den Rest – 800 Gulden. Damit hatten sie sich umsichtig sichergestellt, dass der ansonsten recht leichtlebige Meister nicht vor Fertigstellung seines Werks fortging.
Der Vertrag wurde in zweifacher Ausführung angefertigt. Ein Exemplar bekam Brandl, auf diesem unterschrieben eigenhändig Marie Gabriele sowie Tichý (dieser gleichsam stellvertretend für die anderen Geldgeber der dritten Bildes). Das zweite Exemplar (bis heute erhalten) unterschrieb eigenhändig Brandl, die andere Seite nur mit v.v.
Die Frage, warum nicht die von Graf Wenzel bestimmten tausend Taler, d.h. 1400 Gulden, dafür aufgewendet wurden, lässt sich damit beantworten, dass diese Summe für die Anschaffung des ganzen Altars gedacht war, nicht nur für ein Bild, sondern auch für den Rahmen sowie für den eigentlichen Altar.
Der schwere Barockrahmen ist ein schönes und wertvolles Werk. Der Altar selbst ist nicht mehr erhalten, er wurde 1805 umgebaut, und gegen 1905 wurde auch das Tabernakel umgestaltet von einem ursprünglich drehbaren zum jetzigen. Auf diese Darlegung deutet auch eine Notiz im Vertrag selbst hin, gleich zu Beginn: „einen schönen grossen hochaltar aus seinem aigenen Miteln“, allerdings folgt sofort darauf: „durch herrn Petr Brantl, Burgern und Prager Mahlern aufrichten zu lassen“.
Im Vertrag wird über den Meister mit bedeutender Hochachtung gesprochen, überall heißt es „pan – Herr“, was dann auch in der Particurar Cassa Raittung aus den Jahren 1715-1717 (im Weiteren nur PCR) geschehen wird, bis auf das erste, bereits erwähnte Protokoll, welches als einziges ohne Titel ist.
Im Vertrag wird über den Meister mit bedeutender Hochachtung gesprochen, überall heißt es „pan – Herr“, was dann auch in der Particurar Cassa Raittung aus den Jahren 1715-1717 (im Weiteren nur PCR) geschehen wird, bis auf das erste, bereits erwähnte Protokoll, welches als einziges ohne Titel ist.
Wie sahen den Meister die Manetiner Bürger? Sicher sahen sie in ihm einen „vornehmen“ Künstler, dessen vornehme Werke sie bei der hl. Barbara mit Hochachtung bewunderten. Es fand sich keiner, der an diesen Werken irgendetwas zu kritisieren wagte. Gleichzeitig erfuhren sie aber etwas über sein Leben als Bohème, wohl auch die Tatsache, dass ihn nach seinem ersten Aufenthalt in Manetin die Reitgarde suchte, damit er angefangene Arbeiten fertig stellt. Man wird sehen, wenn er die nun bestellten Bilder für die neue Kirche malt.
Es scheint aber, dass der Meister seine Arbeit nicht vor dem einziehenden Winter fertig hatte, denn er hielt sich in Manetin noch Ende Oktober des Jahres 1716 auf. Niemand nahm es ihm aber übel, denn das Werk, das er hier schuf, war wahrlich erhaben. Selbst Maria Gabriela war überaus zufrieden und zeichnete den Meister bei so manchen Gelegenheiten aus.
Im PCR (PARTICURAR CASSA RAITTUNG) ist darüber ein interessanter Eintrag aus dem Jahr 1716 erhalten, der einzige mit einem Datum: „Den 10. Julij in das Bergwerckh vor 1 Kukus Herrn Brandl 22 fl 36 xr.“ (Am 10. Juli dem Bergwerk für eine Aktie an Herrn Brandl 22 Gulden und 36 Kreuzer“). Sie wollte so dem unruhigen Meister, der heute ein reicher Mann sein konnte, morgen ein verschwenderischer Bummler und freigebiger Wohltäter der Mittellosen zu sein und unmittelbar danach selbst ein Habenichts ohne jeglichen Groschen, wenigstens einen Anteil am Ertrag des Bergwerks beteiligen. Was passierte wohl mit diesem Kukus, wie lange behielt ihn Brandl?
Außerhalb des Programms gab ihm Maria Gabriela noch im Herbst desselben Jahres eine gelegentliche Arbeit. Graf Künigl war auf dem Schloss in Manetin ein sehr beliebter Gast. Seine Gemahlin war die ältere Schwester von Maria Gabriela. Bei einem Besuch zeigten sie ihm ohne Zweifel, was Brandl kann. Wer weiß, wen der Meister auf den Kirchenbildern abbildete! Es ist möglich, dass ihm so mancher der Schlossbewohner oder der Stadtbürger als Model stand.
Dem alten Grafen gefielen die Bilder. Damit ihm die Gastgeberin eine Freude machen konnte, bat Sie Brandl ihn zu malen. In die PCR schrieben sie dann: „ dem H. Brantl vor des alten Graff Künigl Contraffe 60 fl“ („dem Herrn Brandl für das Portrait des alten Grafen Künigl 60 Gulden“). Das ist in der PCR (PARTICURAR CASSA RAITTUNG) der letzte Eintrag über den großen Maler.
Es scheint, dass sich der Meister in Manetin sehr korrekt verhielt. Er wird weder im Geldbußen-Register für strafbare Exzentrizitäten erwähnt, noch sind über ihn keine wilden Geschichten bekannt. Wohl auch deshalb genoss er Maria Gabrielas Gunst.
Peter Brandl kommt noch in einem Buch vor: im Taufbuch von 1682 ist er zweimal als Taufpate eingetragen. Zunächst am 22. Oktober 1716 beim zehnten Sohn des Schneiders Bogner, hier war er Taufpate zusammen mit der Schlossschließerin. Dann gleich am Tag darauf beim Mälzer Dominik Petrželka, dessen erster Sohn vom Meister den Namen Peter erhielt. Leider verstarb das Kind nach fünf Monaten und der 32 Jahre junge Petrželka zog nach Kozlan um.
Bald ging Meister Brandl aus Manetin fort, aber seine Helfer blieben noch den Winter und gingen erst kurz vor Ankunft des Prager Weihbischofs Josef Daniel aus Mayern, welcher am 24. Juni 1717 während der Johanniswalfahrt die neu errichtete Kirche eingeweiht hatte.
(Teil der Arbeit von Dekan František Wonka aus dem Jahr 1963)
[1] Quatember, Quatembertage – Fasttage (Mittwoch, Freitag, Samstag), die sich viermal im Jahr wiederholen (nach dem dritten Adventssonntag, nach dem ersten Fastensonntag, in der ersten Pfingstwoche und nach der Kreuzerhöhung). Die Quatembertage entsprechen in etwa dem Beginn der jeweiligen Jahreszeit.